Bei der Erstellung eines Konzernabschlusses tritt regelmäßig der Fall auf, dass Tochterunternehmen zu konsolidieren sind, die bereits in der Vergangenheit erworben oder gegründet wurden, jedoch nicht in den Konsolidierungskreis einbezogen, also nicht konsolidiert, sondern im Konzernabschluss wie im Jahresabschluss des Mutterunternehmens als Anteile an verbundenen Unternehmen bilanziert wurden. Der Grund kann zum einen darin bestehen, dass in der Vergangenheit ein Einbeziehungswahlrecht gemäß § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 HGB genutzt wurde, das nun nicht mehr angewendet werden kann oder soll. Ein typischer Fall besteht darin, dass ein Tochterunternehmen, deren Konsolidierung bisher gemäß § 296 Abs. 2 HGB als von untergeordneter Bedeutung angesehen wurde, jetzt nicht mehr so eingestuft werden kann. Zum anderen kann der Grund darin bestehen, dass das Mutterunternehmen bislang gemäß § 290 Abs. 5, § 291, § 292 oder § 293 HGB von der Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts befreit war, die Voraussetzungen für die Befreiung nun entfallen sind oder freiwillig auf die Befreiung verzichtet werden soll.
§ 301 Abs. 2 Satz 3 und 4 HGB sieht für diese Fälle als Regelmethode vor, dass die sog. Erstkonsolidierung nach § 301 Abs. 1 HGB auf der Grundlage der Wertverhältnisse zu dem Zeitpunkt durchzuführen ist, zu dem das Tochterunternehmen (erstmalig) in den Konzernabschluss einzubeziehen ist. Da das Tochterunternehmen auch in die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung einzubeziehen ist, ist das der Zeitpunkt, ab dem die Voraussetzungen für die Nichteinbeziehung nicht mehr erfüllt sind. Grundsätzlich kann das unterjährig der Fall sein, aus Vereinfachungsgründen kann die Einbeziehung ab Beginn des aktuellen Berichtsjahres erfolgen (DRS 23.14). Die Erstkonsolidierung wird in diesem Fall nicht auf der Grundlage der Wertverhältnisse zu dem Zeitpunkt durchgeführt, zu dem das Unternehmen Tochterunternehmen geworden ist, sondern auf der Grundlage der Wertverhältnisse zu einem späteren Stichtag nachgeholt.
Da bei der Nachholung der Erstkonsolidierung die historischen Anschaffungskosten der Anteile mit dem zu einem späteren Zeitpunkt neubewerteten anteiligen Eigenkapital verrechnet werden, entsteht regelmäßig ein passiver Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung, der gemäß DRS 23.147 ff. als technischer passiver Unterschiedsbetrag in die Gewinnrücklagen bzw. in den Ergebnisvortrag einzustellen ist, soweit er auf zwischenzeitlich erfolgte Gewinnthesaurierungen zurückzuführen ist. Nicht ausgeschlossen ist ein auf Verluste des Tochterunternehmens zurückzuführender aktiver Unterschiedsbetrag, der nicht als Geschäfts- oder Firmenwert angesehen werden kann, sondern gemäß DRS 23.113 als durch die Nachholung der Erstkonsolidierung bedingter technischer aktiver Unterschiedsbetrag mit den Gewinnrücklagen bzw. mit dem Ergebnisvortrag zu verrechnen ist. Die Logik dieser Regelungen besteht darin, dass die Gewinnrücklagen bzw. der Ergebnisvortrag auch dann um thesaurierte Gewinne bzw. kumulierte Verluste erhöht bzw. gemindert wären, wenn das Unternehmen ab dem Zeitpunkt, zu dem es Tochterunternehmen geworden ist, in den Konsolidierungskreis einbezogen worden wäre.
Die Nachholung der Erstkonsolidierung in den genannten Fällen ist als Erleichterung gedacht, da sie eine rückwirkende Ermittlung und Neubewertung des zu konsolidierenden Eigenkapitals erübrigt. Sie ist jedoch insbesondere dann keine Erleichterung, wenn das Tochterunternehmen seinerzeit gegründet wurde, so dass es damals weder stille Reserven noch einen Geschäfts- oder Firmenwert oder passiven Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung gegeben haben kann. Bei einer Nachholung der Erstkonsolidierung sind jedoch auch in diesem Fall die Vermögensgegenstände und Schulden zum späteren Erstkonsolidierungsstichtag neu zu bewerten und ein GoF bzw. passiver Unterschiedsbetrag zu ermitteln. Erst seit Inkrafttreten des BilRUG am 23.07.2015 lässt § 301 Abs. 2 Satz 5 HGB “in Ausnahmefällen” eine rückwirkende Erstkonsolidierung bisher nicht konsolidierter Tochterunternehmen zu. Nach dieser Methode werden die Anschaffungskosten der Anteile mit dem zu dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen in der Vergangenheit Tochterunternehmen geworden ist, neubewerteten anteiligen Eigenkapital verrechnet. Da die verrechneten Größen denselben Zeitpunkt betreffen, verbleibt aus der Kapitalkonsolidierung ein gewöhnlicher GoF oder passiver Unterschiedsbetrag. In Nebenrechnungen sind die zu buchenden Vorträge zu ermitteln, um so zu konsolidieren, als ob das Tochterunternehmen konsolidiert worden wäre, seit es Tochterunternehmen geworden ist.
Eine rückwirkende Erstkonsolidierung kann durchgeführt, wenn die zum in der Vergangenheit liegenden Erstkonsolidierungsstichtag gegebenen Werte bekannt sind bzw. ermittelt werden können. Das ist immer der Fall, wenn das Tochterunternehmen seinerzeit gegründet wurde, weil es dann keine stillen Reserven und Lasten und keinen Unterschiedsbetrag aus der Erstkonsolidierung gab. Nicht bekannt sein muss, mit welchem Eigenkapital das Tochterunternehmen tatsächlich gegründet wurde und wie sich dieses zusammensetzte. Dasselbe Ergebnis ergibt sich, wenn der zu Beginn des aktuellen Berichtsjahres gegebene Beteiligungsbuchwert mit dem zu diesem Zeitpunkt gegebenen anteiligen gezeichneten Kapital und den anteiligen Kapitalrücklagen des Tochterunternehmens verrechnet wird und der Unterschiedsbetrag zugunsten oder zu Lasten des Ergebnisvortrags gebucht wird.
Anders als bei einer Nachholung der Erstkonsolidierung, sind bei einer rückwirkenden Erstkonsolidierung auch rückwirkend die Schuldenkonsolidierung und die Zwischenergebniseliminierung durchzuführen, soweit sich daraus zu Beginn des Berichtsjahres noch wesentliche Vorträge ergeben. Bei einer Nachholung der Erstkonsolidierung entfällt dies, da das Tochterunternehmen fiktiv erst zu Beginn des aktuellen Berichtsjahres erworben wurde.
In der Konzern-Kapitalflussrechnung ist die erstmalige Einbeziehung eines bereits in der Vergangenheit vorhandenen, jedoch nicht konsolidierten Tochterunternehmens in den Konsolidierungskreis unabhängig davon, ob die Erstkonsolidierung rückwirkend durchgeführt oder nachgeholt wird, nach den zahlungswirksamen Veränderungen des Finanzmittelfonds in der Überleitung auf den Finanzmittelfonds am Ende des Jahres als „konsolidierungskreisbedingte Änderung des Finanzmittelfonds darzustellen“ (DRS 21.36). Keine Auswirkungen hat die Methode außerdem auf die Darstellung im gemäß § 313 Abs. 4 i.V.m. § 284 Abs. 3 HGB zu erstellenden Konzern-Anlagenspiegel. Üblich ist, dass bei einer Vergrößerung des Konsolidierungskreises unter den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten eine gesonderte Spalte für Zugänge zum Konsolidierungskreis eingefügt wird. In dieser sind die im Vorjahr und somit auch zu Beginn des Berichtsjahres ausgewiesenen Anteile an verbundenen Unternehmen zu verrechnen. Dadurch wird deutlich, dass diese Anteile im Berichtsjahr erstmalig konsolidiert wurden.
Die Vorjahreszahlen sind in einem HGB-Konzernabschluss auch bei rückwirkender Erstkonsolidierung mangels einer entsprechenden Vorschrift nicht anzupassen. Gemäß § 298 Abs. 1 i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz. 3 HGB sind jedoch Erläuterungen im Anhang geboten.
Auch in einem IFRS-Konzernabschluss können bisher nicht konsolidierte Tochterunternehmen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sein. Dieser Fall kann eintreten, wenn ein bisher nicht konzernrechnungslegungspflichtiges Mutterunternehmen den ersten Konzernabschluss obligatorisch oder freiwillig nach IFRS erstellt oder wenn ein Tochterunternehmen in der Vergangenheit in Anwendung des Materiality-Grundsatzes nicht konsolidiert wurde. Eine Nachholung der Erstkonsolidierung ist nach IFRS nicht zulässig, so dass die Erstkonsolidierung eines solchen Tochterunternehmens stets rückwirkend durchzuführen ist und die Vorschriften gemäß IAS 8 für eine Methodenänderung vollumfänglich zu beachten sind. Selbstverständlich sind pragmatische Lösungen gefordert, wenn die zum rückwirkenden Erstkonsolidierungsstichtag gegebenen Werte nicht mehr (vollständig) ermittelt werden können. So kann evtl. argumentiert werden, dass die damals vorhandenen Vermögenswerte inkl. des damals vorhandenen Goodwills zwischenzeitlich abgeschrieben wären, so dass ein zu Beginn der Vergleichsperiode sich ergebender Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung auf Buchwertbasis ohnehin in die Gewinnrücklagen bzw. in den Ergebnisvortrag einzustellen bzw. mit diesen Größen zu verrechnen wäre. Soweit allerdings noch wesentliche Vermögenswerte von damals vorhanden sind, sind diesen bereits damals vorhandene stille Reserven zuzuordnen.
Eine Ausnahme sieht lediglich IFRS 1.C4(j) für Tochterunternehmen vor, die erstmalig angesichts der IFRS-Erstanwendung zu konsolidieren sind. Die Erstkonsolidierung kann in diesem Fall auf der Grundlage der Buchwerte zum Zeitpunkt der IFRS-Eröffnungsbilanz durchgeführt werden, wobei ein sich ergebender Goodwill sofort einem Impairmenttest zu unterziehen und ein passiver Unterschiedsbetrag in die Gewinnrücklagen einzustellen ist. Da gemäß IFRS 1.3(d) auch ein solches Unternehmen IFRS-Erstanwender ist, das für frühere Perioden keine Abschlüsse veröffentlicht hat, kann diese Regelung auch von einem Mutterunternehmen genutzt werden, das bisher nicht konzernrechnungslegungspflichtig war und den ersten Konzernabschluss nach IFRS erstellt.
Die konsolidierungstechnische Vorgehensweise bei Nachholung und Rückwirkung der Erstkonsolidierung sind ein Thema in unserem Basisseminar zur Konzernabschlusserstellung und in unserem Konsolidierungstraining. In unserem Vertiefungsseminar zur Konzernabschlusserstellung wird auch die technische Vorgehensweise zur korrekten Abbildung der erstmaligen Einbeziehung eines bislang nicht konsolidierten Tochterunternehmens in den Konsolidierungskreis in der Konzern-Kapitalflussrechnung dargestellt.