Detail

Besonderheiten der Analyse von Konzernabschlüssen

Grundlage der Bilanzanalyse ist bei einem Mutterunternehmen dessen Konzernabschluss. Im Vergleich mit der Analyse des Jahresabschlusses eines Unternehmens sind dabei jedoch Besonderheiten zu beachten. Zu den Analysemethoden gehört auch der Vergleich des Konzernabschlusses mit dem Jahresabschluss des Mutterunternehmens.

Stellt ein Unternehmen einen Konzernabschluss auf, so ist dieser und nicht der Jahresabschluss (Einzelabschluss) des Unternehmens die Grundlage für die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Folgende Gründe sprechen dafür:

  1. Im Konzernabschluss wird die von dem aufstellenden Unternehmen beherrschte wirtschaftliche Einheit anstelle der rechtlichen Einheit abgebildet. Die wirtschaftliche Lage eines Mutterunternehmens wird jedoch durch den gesamten Konzern geprägt. Auf der Grundlage des Jahresabschlusses gebildete Kennzahlen sind nicht aussagefähig, da die wirtschaftlichen Aktivitäten der Tochterunternehmen darin nicht direkt, sondern nur indirekt in Form von Anteilen an verbundenen Unternehmen und Erträgen aus Beteiligungen an diesen berücksichtigt sind.
  2. Im Jahresabschluss des Mutterunternehmens sind konzerninterne Sachverhalte enthalten, da Geschäfte mit Tochterunternehmen als Geschäfte unter fremden Dritten abgebildet werden. Das gilt z.B. für am Markt nicht realisierte Innenumsatzerlöse und Zwischenerfolge aus Lieferungen an und von Tochterunternehmen.
  3. Zwar ist der im HGB-Jahresabschluss des Mutterunternehmens ausgewiesene Bilanzgewinn Ausschüttungsbemessungsgrundlage, dennoch eignet sich dieser Abschluss nicht zur Beurteilung des Ausschüttungspotentials eines Mutterunternehmens, da Gewinne in Tochterunternehmen thesauriert sein können (sog. Tresoreffekt oder Spardoseneffekt).

Das Bilanzpolitische Instrumentarium wird folglich auf den Konzernabschluss angewendet. Dabei sind folgende Besonderheiten im Vergleich mit der Analyse eines Jahresabschlusses zu beachten:

  1. Auch im HGB-Konzernabschluss kann gemäß § 300 Abs. 2 Satz 2 und § 308 Abs. 1 Satz 2 HGB eine vom Jahresabschluss des Mutterunternehmens unabhängige Bilanzpolitik verfolgt werden. Da der Konzernabschluss keine Ausschüttungsbemessungsfunktion hat und nicht für die Steuerbilanz maßgeblich ist, wird im Konzernabschluss eher eine sog. progressive Bilanzpolitik verfolgt, was entsprechende Anpassungen bei der Erstellung der sog. Strukturbilanz und Struktur-GuV erfordert.
  2. In vielen Konzernabschlüssen wird ein Geschäfts- oder Firmenwert ausgewiesen. In der Praxis der Bilanzanalyse wird dieser häufig bei der Erstellung der sog. Strukturbilanz mit den Gewinnrücklagen verrechnet. Betriebswirtschaftlich betrachtet ist das allerdings nicht sinnvoll, zumal anders als vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes gemäß § 301 Abs. 3 HGB auch für den HGB-Konzernabschluss ein Ansatzgebot besteht.
  3. Gemäß § 297 Abs. 1 HGB beinhaltet der HGB-Konzernabschluss zumindest einer Kapitalgesellschaft auch eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel. Insbesondere die Kapitalflussrechnung ermöglicht weitere Analysen.
  4. Zum Konzerneigenkapital gehören ggf. auch die Posten „Eigenkapitaldifferenz aus Währungsumrechnung“ (§ 308a HGB bzw. IAS 21.41) und „nicht beherrschende Anteile“ (§ 307 Abs. 1 HGB bzw. IAS 1.54(q)). Diese sind bei der Bildung eigenkapitalbezogener Kennzahlen zu berücksichtigen.
  5. Da gemäß § 307 Abs. 2 HGB bzw. IAS 1.81B unter der Konzern-GuV auch die nicht beherrschenden Anteile am Ergebnis anzugeben sind, kann die Eigenkapitalrentabilität zum einen für den gesamten Konzern, zum anderen auch für das auf die Gesellschafter des Mutterunternehmens und für das auf die nicht beherrschenden Gesellschafter entfallende Eigenkapital berechnet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Anpassungen im Rahmen der Erstellung der sog. Strukturbilanz und der Struktur-GuV abgesehen von der Verrechnung des Geschäfts- oder Firmenwerts nicht verlässlich den Anteilen der Gesellschafter des Mutterunternehmens und der nicht beherrschenden Gesellschafter zugerechnet werden können.
  6. Aufschlussreiche Einblicke in die Ergebnisverwendungspolitik des Konzerns ergeben sich durch Vergleich des Jahresabschlusses des Mutterunternehmens mit dessen Konzernabschluss. Durch Vergleich des Jahresüberschusses des Mutterunternehmens mit dem Anteil des Mutterunternehmens am Konzern-Jahresüberschuss sowie der in beiden Abschlüssen ausgewiesenen Gewinnrücklagen und Ergebnisvorträge wird deutlich, in welchem Umfang der o.g. Tresoreffekt zur Anwendung gekommen ist. Auch wenn der Konzernabschluss keine Ausschüttungsbemessungsfunktion hat, wird auf diese Weise das Ausschüttungspotential des Mutterunternehmens transparent.