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Bedeutung der sog. Aquisitionsbilanz

Als Aquisitionsbilanz wird die auf den Stichtag der Erstkonsolidierung eines Tochterunternehmens erstellte Handelsbilanz III oder ggf. Handelsbilanz II bezeichnet. Sie ist die Grundlage für die Ermittlung des dauerhaft vorzutragenden Buchungssatzes der Erstkonsolidierung und außerdem die Ausgangsgrundlage für die Einbeziehung des betreffenden Tochterunternehmens in sämtliche Spiegeldarstellungen, wozu auch die Kapitalflussrechnung gehört.

Wird ein Tochterunternehmen erworben, so wird nach HGB wie nach IFRS für den Konzernabschluss der Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden dieses Unternehmens durch das Mutterunternehmen unterstellt (sog. Erwerbsfiktion). Der tatsächlich erfolgte share-deal wird in einen asset-deal umgedeutet. Da erworbene Vermögensgegenstände und Schulden jedoch nicht zu den Buchwerten erworben werden, mit denen sie in der Bilanz des erworbenen Tochterunternehmens stehen, sondern zu Zeitwerten, sind sie zum Zeitpunkt der Erlangung der Beherrschung neu zu bewerten. Wäre tatsächlich ein asset-deal durchgeführt worden, so wären die erworbenen Vermögensgegenstände und Schulden in der originären Buchführung und damit bereits im Einzelabschluss des erwerbenden Unternehmens zu erfassen. Da jedoch nur fiktiv ein asset-deal durchgeführt wurde, sind die aufgedeckten stillen Reserven und Lasten in einer Nebenbuchführung zu erfassen und fortzuführen. Werden deren Salden mit den entsprechenden Salden der an die konzerneinheitlichen Bilanzierungsvorschriften angepassten sog. Handelsbilanz II des Tochterunternehmens zusammengefasst, ergibt sich die sog. Handelsbilanz III des Tochterunternehmens.

Eine solche Handelsbilanz III ist grundsätzlich auf den Erstkonsolidierungsstichtag zu erstellen, auch wenn auf diesen Stichtag kein Konzernabschluss aufgestellt wird, weil die Beherrschung über das Tochterunternehmen unterjährig erlangt wurde. Diese Handelsbilanz III wird auch als Aquisitionsbilanz bezeichnet. Sie ist das Ergebnis der sog. Kaufpreisallokation. Der Saldo der aufgedeckten stillen Reserven und Lasten inkl. angepasster latenter Steuern wird in eine konsolidierungstechnische Neubewertungsrücklage eingestellt. Die Aquisitionsbilanz hat folgende Bedeutung:

  1. Das darin ausgewiesene Eigenkapital ist die Grundlage der sog. Erstkonsolidierung. Der daraus abzuleitende Buchungssatz ist dauerhaft vorzutragen. Mit diesem Buchungssatz werden einerseits die Anschaffungskosten des Mutterunternehmens für die Anteile an dem Tochterunternehmen und andererseits die Anteile des Mutterunternehmens an den einzelnen in der Aquisitionsbilanz ausgewiesenen Eigenkapitalposten einschließlich der konsolidierungstechnischen Neubewertungsrücklage ausgebucht. Als Unterschiedsbetrag zwischen beiden Größen ergibt sich entweder ein Geschäfts- oder Firmenwert (goodwill) oder ein passiver Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung (badwill).
  2. Sind auch nicht beherrschende Gesellschafter an dem Tochterunternehmen beteiligt, so entspricht deren Anteil an dem in der Aquisitionsbilanz ausgewiesenen Eigenkapital inkl. der konsolidierungstechnischen Neubewertungsrücklage der im Konzern-Eigenkapitalspiegel für das Jahr des Erwerbs des betreffenden Tochterunternehmens in der Zeile „Änderungen des Konsolidierungskreises“ unter den nicht beherrschenden Anteilen auszuweisenden Eigenkapitaländerung.
  3. Die Aquisitionsbilanz ist die Ausgangsgrundlage für die Einbeziehung des erworbenen Tochterunternehmens in den Konzern-Anlagenspiegel. Die darin ausgewiesenen Buchwerte der einzelnen Positionen des Anlagevermögens sind im Anlagenspiegel in der Spalte „Konsolidierungskreisänderungen“ zu berücksichtigen. Ab dem Erstkonsolidierungsstichtag sind die Veränderungen des Anlagevermögens unter den Zugängen und Abgängen im Konzern-Anlagenspiegel zu berücksichtigen.
  4. Die Aquisitionsbilanz ist die Ausgangsgrundlage für die Einbeziehung des erworbenen Tochterunternehmens in die Konzern-Kapitalflussrechnung. Die in der Aquisitionsbilanz ausgewiesenen liquiden Mittel und Zahlungsmitteläquivalente mindern im Cashflow aus der Investitionstätigkeit die Auszahlungen für Zugänge zum Konsolidierungskreis. Ab dem Erstkonsolidierungsstichtag sind die Cashflows des Tochterunternehmens in der Konzern-Kapitalflussrechnung zu berücksichtigen.
  5. Wird der Konzernabschluss nach IFRS erstellt, ist die Aquisitionsbilanz in gleicher Weise Ausgangsgrundlage für die Einbeziehung des erworbenen Tochterunternehmens in den Rückstellungsspiegel gemäß IAS 37.84 und in den Spiegel der Finanzverbindlichkeiten gemäß IAS 7.44A-D.

Wird ein Tochterunternehmen gegründet, so sind mangels Vorhandensein keine stillen Reserven und Lasten aufzudecken. Die Erstellung einer Handelsbilanz III entfällt in diesem Fall. Eine Aquisitionsbilanz mit den o.g. Funktionen ist jedoch auch in diesem Fall erforderlich. Sie entspricht der auf den Erstkonsolidierungsstichtag aufgestellten Handelsbilanz II des gegründeten Tochterunternehmens.

Üblicherweise wird ein aus der Kapitalkonsolidierung verbleibender Geschäfts- oder Firmenwert nicht in der Aquisitionsbilanz erfasst, sondern erst mit der Buchung der Erstkonsolidierung auf der Konsolidierungsebene, also nach dem Summenabschluss eingebucht. Gelegentlich wird in der Praxis jedoch auch der Geschäfts- oder Firmenwert in der Aquisitionsbilanz und in den darauf folgenden Handelsbilanzen III ausgewiesen. Dann fällt die konsolidierungstechnische Neubewertungsrücklage entsprechend höher aus und der Buchungssatz zur Erstkonsolidierung führt nicht mehr zu einem Unterschiedsbetrag. Unproblematisch ist diese Vorgehensweise, wenn das Mutterunternehmen 100% der Anteile an dem Tochterunternehmen hält. Anderenfalls ist der Geschäfts- oder Firmenwert in einer gesonderten Neubewertungsrücklage gegenzubuchen, die bei der Verteilung des Eigenkapitals auf die nicht beherrschenden Gesellschafter nicht zu berücksichtigen ist. Außerdem dürfen die künftigen Abschreibungen des Geschäfts- oder Firmenwerts nicht den Anteil der nicht beherrschenden Gesellschafter am Ergebnis mindern.